
Also ganz ehrlich, ein wenig in die Hosen gesch… habe ich diese Nacht schon. Diejenigen, welche diese Berge und den Wind kennen, wissen warum. Und dann all diese braungebrannten, gestählten Iberer gestern mit ihren 6kg-Maschinen, die im Hotel eingecheckt hatten. Hier nun einige erste Worte zu einem Tag bzw. einem Rennen an dem wie üblich fast alles anders kam als erwartet. Einen ausführlichen Bericht werde ich diese Tage noch posten, den es gibt viel, sehr viel zu erzählen.
Heute morgen starteten wir mit mallorcinischer Pünktlichkeit um genau 7 Uhr und etwa 3 Minuten, nach dem er Veranstalter uns mit einem letzten Briefing in spanischer Sprache mit etwa 105 Dezibel aufweckte. Der Himmel war SCHWARZ, tiefschwarz.
Das Rennen kann man unterteilen in
- Erster Teil geführt im Feld (bis Kilometer 26)
- Gebirge mit mehr als 1700HM (Kilometer 26-90)
- Auf und Ab (Kilometer 90-137)
- Schneller Schluss in der Ebene (Kilometer 137-167)
Erster Teil im Feld
Ja, richtig gelesen. Die ersten 26km mussten im Feld absolviert werden. Dies hatte den Vorteil, dass wir Draften konnten – Gümeler lieben das – und den Nachteil, dass die Pace mit knapp 30km/h tief lag. Details zu diesem Abenteuer gibts im ausführlichen Bericht. Ein vorweg: Ich beherrsche nun alle Handzeichen der Radfahrer.
Zweiter Teil im Gebirge
Ich war eher in der zweiten Hälfte des Feldes und konnte es gut von hinten aufrollen. Bis dann zu einigen Kollegen, welche die Strasse komplett dicht machten. Das wiederum führte dazu, dass ich stürzte bzw. umkippte, mein Material zusammensuchen musste und erst nach knappen zwei Minuten weiter konnte. Die verlorene Zeit machte ich aber schnell wieder gut und konnte bereits nach wenigen Kilometern wieder die Position einnehmen, die ich zuvor hatte. Aber ist halt schon so, wenn Du mit rund 10kg Kampfgepäck da hochziehst, dann spürst Du das in den Beinen und die Iberer mit ihren superleichten Pinarellos und Orbas flogen mit einer faszinierenden Leichtigkeit die Berge hoch. Bis, ja bis der Gringo dann in den ersten Abfahrten die grosse Scheibe einlegte und die Aeroposition einnahm. Unglaublich, diese Differenz in der Geschwindigkeit. Ich flog förmlich an verschiedenen Gruppen vorbei. Selbst bergab zeigte sich Scotty wendig und mit grossen Gängen konnte ich aus den Kurven heraus beschleunigen. So gelang es mir, Gruppe um Gruppe hinter mich zu bringen. Danach gings wieder hoch und dieser dritte Anstieg war unglaublich hart, meine Beine auch. Ich schätze den gesamten Gebirgsteil auf knapp dreimal erklimmen der Sattelegg. Irgendwann – und ziemlich leer – hatten wir‘s geschafft und ich freute mich auf die Ebene. Ebene? Hat da jemand etwas von Ebene gesagt?
Dritte Teil im Auf und Ab
Als uns die Polizei an einer Strassensperre aus dem Verkehr zog und uns auf spanisch die Leviten verliess – warum weiss ich bis heute noch nicht ganz so genau – durften wir nach einer inspirierenden Pause von 5 Minuten wieder weiterziehen. Und schnell stellte sich in diesem dritten Abschnitt heraus, dass an diesem Rennen eigentlich gar nichts flach war. Vielleicht die ersten und die letzten 15km. Aber in Kombination mit dem Wind – irgendjemand hatte direkt vor uns ein gewaltiges Gebläse aufgebaut – wurde das Rennen immer härter. Und eigentlich dachte ich, es würde nun leichter. In der Mitte dieses Abschnitts formierten wir uns zu einer hocheffizienten Gruppe. Denn die iberischen Jungs, die ich überholte, hängten sich frech an Scottys Hinterteil und wir teilten uns die Arbeit im Wind. Echtes Teamwork entstand und wir holten immer mehr Fahrer ein, so dass unsere Gruppe zweitweise ca. 20 Mann und gegen Ende dieses Abschnitts 10 Mann stark wurde. So gelang es uns, Speed zu gewinnen. An die Pace für eine Zeit unter 6 Stunden kamen wir aber kaum mehr ran.
Vierter Teil im schnellen Schluss
Ich weiss nicht was es war, aber irgendwann stach mich der Hafer. Denn jedes Mal wenn ich die Führung in der Gruppe übernahm, konnten wir die Pace um bis zu 8km/h erhöhen und mein Hirn sagte mir: „Wenn in diesem Zustand noch 15 bis 20 Kilometer vor Dir hast, dann kannst Du die auch durchbeissen“. Ich fragte meinen Kollegen rechts in einer Mischung aus Englisch, Italienisch und Spanisch ob uns noch Überraschungen erwarten, worauf er meinte „No“. Und was jetzt geschah war der Hammer. Scott und ich legten uns in den Wind. Das Teil macht derart furchterregende Geräusche, dass alles was vor uns lag wich. Mit knackigen 40km/h donnerten wir dem Ziel entgegen. Steigungen drückte ich weg und zog immer weiter, meinen iberischen Clan im Windschatten. Der Kollege rechts, hatte mir bei dem „No“ aber leider verschwiegen, dass am Schluss noch eine ganz gemeine, lange Welle auf uns zukommen würde und hier gab ich nun die Führung ab und hängte mich ans Ende des Feldes, das ich dann auf der Abfahrt selbstverständlich wieder einholte. Und dann? Ja, genau, irgendwann gingen mit einigen von uns die Rösschen durch und es wurde gedrückt, was drin lag. Zieleinfahrt am Tourenbegrenzer und ein lautes Gelächter.
Das schönste an der ganzen Geschichte war, dass mir 5 oder 6 der 10 Iberer für die Windarbeit dankten und ganz bewundernd Scotty anschauten und ihren Kollegen erzählten, dass der Gringo mit 40km/h im Wind vorausgedonnert war und ihnen den Weg frei gemacht habe. Es waren andere Blicke als jene zu Beginn des Rennens.
Das Rennen war sackhart und ich bin sehr stolz auf meine Leistung. Gerne wäre ich unter 6 Stunden gefahren. Dafür muss man aber die ganze Strecke kennen und kann so noch besser einteilen. Für mich wäre eine solche Leistung unter diesen Bedingungen aber zu früh. Es bleibt ein stolzer 27er Schnitt und Rang 31 von insgesamt etwas mehr als 150 Klassierten.
Bis zum 70.3 vor einem Jahr in Rappi, bin ich ausschliesslich den Zürichsee gefahren. Und das war meine längste Tour :-)) Erst danach begann die fokussierte Radarbeit mit Gilbert, die sich bereits in Zofingen auszahlte. Ich weiss jetzt, dass das Rad nicht mehr zu meinen schwächsten Disziplinen zählt und dass ich hier noch einiges Potential habe, das erschlossen werden will. Schritt für Schritt. Saison für Saison. Jetzt liegt erst mal der Intervall in Zofingen vor mir und danach Rappi und dann die Langdistanz. Mal schauen wo das noch hinführt.
Herzliche Gratulation zu Deiner erneut starken Leistung.
Gute Rückkehr aus Mallorca und hoffentlich auf bald wieder einmal in Bremgarten.
Deine Eltern
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Danke, danke 🙂 Wir melden uns, sobald wir zurück sind. Gruss, Patrick
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